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brachland - Bewegung und Klang

feldforschung - ein transdisziplinäres Projekt

Einleitung

Welche Zwischentöne entstehen im Dialog von Tanz und Musik?
Wie beeinflusst die räumliche Atmosphäre das Geschehen?
Kann Musik fotografisch festgehalten werden?
Was wäre die Entsprechung eines Akkords in der Bewegung?
Wie können Gedanken sichtbar gemacht werden?

Solche Fragen in künstlerischer Form zu ergründen macht sich brachland, ein Zusammenschluss von Musikern und Tänzerinnen, zum Ziel. Grundlage ihrer gemeinsamen Arbeit ist Instant Composition. Die gemeinsame, prozessorientiert entwickelte Arbeitsstrategie beinhaltet die Gewichtung der gegenseitigen Wahrnehmung in Zeit, Raum und Energie. Forschen, Experimentieren, ständiger Austausch und Reflexion sind zentrale Elemente ihrer Arbeit.

Seit ihrem Bestehen 2001 entwickeln sie kontinuierlich Ideen für die Gestaltung von transdisziplinären Projekten in verschiedenen unkonventionellen Räumlichkeiten und unter Einbezug von zusätzlichen Personen aus anderen Sparten und weiteren Medien. Durch das Bestimmen von Strukturen und Rahmenbedingungen schaffen sie die Voraussetzung für ein performatives Gesamtgeschehen.

Projektbeschrieb

Projektion von Text

Das eigens für dieses Projekt entwickelte Konzept beruht auf dem Einbezug projizierten Textes, welcher zusätzlich zu Bewegung und Klang integraler Bestandteil der Instant Composition wird. Verschiedene im Raum platzierte Laptops ermöglichen den Performern, aus einem inneren Impuls heraus Texte oder Textfragmente zu schreiben. Das verfolgte Ziel besteht darin, die nicht fassbare Ebene, wie Gedanken und Empfindungen, die in jedem einzelnen vorhanden sind, im Moment der Entstehung auch auf einer sprachlichen Ebene sichtbar zu machen. Durch die Projektion des Textes und dessen zeitweise Verschmelzung mit dem Körper verliert er seine ursprüngliche sprachliche Funktion und wird in eine gestalterische Ebene umgedeutet.

Einsatz von Loopgeräten

Die beiden Musiker in der Gruppe brachland setzen seit 2003 Loopgeräte ein. Dabei handelt es sich um ein elektronisches Gerät, welches erlaubt, musikalische Sequenzen während der Performance gezielt aufzuzeichnen und endlos abspielen zu lassen (= Loop). Zum abgespielten Loop kann neues Material aufgezeichnet werden, welches dann Teil des ursprünglichen Loops wird. Zusätzlich kann der abgespielte Loop gewissen Transformationen unterworfen werden, wie z.B. rückwärts oder mit halber Geschwindigkeit (und somit halber Tonhöhe) abgespielt werden.

Durch die Nichtsynchronisation der beiden loopenden Musiker entsteht ein sich ständig wandelnder akustischer Ablauf. Der so erzeugte Klangteppich kann sehr präzise gestaltet werden in seiner Dichte, seiner Dynamik, Harmonie, Rhythmus, etc.

Des weiteren erlaubt der Einsatz des Loopgeräts ein vorher nicht mögliches musikalisches Analogon zum Stillstand in der Bewegung: Die Tänzerinnen haben die Möglichkeit, ihren Bewegungsfluss zu unterbrechen, aber trotzdem körperlich anwesend zu bleiben und mit ihrer Präsenz das Gesamtbild zu prägen. Lässt nun ein Musiker eine musikalische Sequenz loopen, erzeugt er Ostinati, während derer er mit seinem Instrument wiederum im Stillstand verharrt. Ohne die Möglichkeit des Loopens ist es praktisch unmöglich, einen Stillstand mit der gleichen expressiven Bedeutung herzustellen.

Strukturen

Aufgrund der gefundenen Resultate in der gemeinsamen explorativen Arbeit werden für die Performance dem Gesamtgeschehen entsprechend Strukturen und Rahmenbedingungen in den folgenden Bereichen ausgearbeitet und festgelegt.

Dramaturgie

Die Dramaturgie der einzelnen Sets wird durch die Zuordnung unterschiedlicher Spannungsbögen und Qualitäten bestimmt. Die Gestaltung des Gesamtablaufs wird durch die wechselnde Aktivität der Performer bestimmt; beispielsweise widmet sich eine Tänzerin ausschliesslich dem Schreiben von Text während die übrigen Performer auf der musikalisch-tänzerischen Ebene kommunizieren. Oder zwei Tänzerinnen bewegen sich in den Fragmenten des von den Musikern erzeugten Textes.

Zeit

Um den zeitlichen Ablauf der Performance zu strukturieren, wird die Gesamtlänge bestimmt (beispielsweise 60 Minuten) und die Aufteilung in kleinere Zeiteinheiten. So könnte eine Aufführung aus fünf Sets bestehen (10min/16min/7min/20min/7min). Jedes Set bildet eine in sich abgeschlossene Einheit, welche sich mit den anderen Teilen zu einem Ganzen fügt.

Raum

Die Auseinandersetzung mit dem Raum ist ein weiterer wichtiger Aspekt in der Vorbereitung und Ausgestaltung der Performance. In der Vorarbeit geht es darum, den bespielbaren Raum und den Zuschauerraum zu definieren. Die Platzierung der Musiker und die Gestaltung des Ortes durch Laptops und Projektionen sind weitere wichtige Aspekte.

Die Atmosphäre des Raums beeinflusst sowohl unsere vorbereitenden Massnahmen (auch betreffend Dramaturgie) als auch unser Spiel während der Performance. Räumliche Gegebenheiten bilden auch eine Inspirationsquelle innerhalb der Improvisation.

Wirkung der Darbietung

In der Performance geschieht eine sukzessive Fokussierung, der Verjüngung eines Kegels vergleichbar, dessen Spitze eine Verdichtung der gemeinsamen unbewussten Ebene darstellt und sie wahrnehmbar macht.

Die unmittelbare Reaktion auf Impulse führt zu einer Kontinuität der Darbietung, welche den Zuschauer zweifeln lässt, ob das Geschehen improvisiert oder einstudiert ist. Die Instant Composition lässt scheinbar zufällig ungeplante Inhalte entstehen, die eine erzählerische Form annehmen. Das Publikum soll auf einer emotionalen und geistigen Ebene angesprochen und durch die Projektionen im Raum auch auf eine visuell gestaltete Reise eingeladen werden.

Arbeitsweise

Das Ensemble brachland pflegt eine interaktive Zusammenarbeit in zwei Bereichen:

  1. In der konzeptionellen Planungsarbeit

    Alle Mitglieder sind gleichberechtigt an der Planungsarbeit beteiligt. In einem gemeinsamen Prozess werden Strukturen/Elemente erarbeitet, erforscht und schliesslich auch reflektiert und ausgewertet. Dabei werden wiederholt grundlegende, philosophische Fragen aufgeworfen. Beispielsweise: Eine Tanzsequenz kann sowohl als dynamischer Ablauf in Zeit und Raum (Film), sowie als statisches Einzelbild (Foto) festgehalten werden. Musik kann zwar auch auf einem zeitabhängigen Medium aufgezeichnet werden (Tonband, CD), verwehrt sich jedoch einer Konservierung auf einem statischen Medium.

  2. In der Performance

    Während der Performance befinden sich Tänzerinnen und Musiker in einem Zustand höchster Sensibilität füreinander. Spontanes gegenseitiges Agieren, Reagieren und Innehalten geschieht intuitiv und bildet die Grundlage für das interaktive Agieren in der Instant Composition.

    Ein wichtiger Aspekt der Performance ist, dass keine Abmachung darin besteht, wer auf wen reagiert, sondern dass diese Entscheidung von jedem Performer in jedem Zeitpunkt eigenverantwortlich getroffen wird. Durch die mehrjährige Zusammenarbeit hat sich eine Sensibilität etablieren können, welche einer rationalen Strukturierung nicht mehr bedarf.

    Jeder Performer und jede Performerin ist ein eigenständiges Individuum. D.h. es werden keine Branchen "Bewegung" versus "Klang" etabliert, sondern alle Mitglieder sind mit allen Mitgliedern als Individuen konfrontiert. Die kanonische Dichotomie zwischen Klang und Bewegung verblasst vermehrt durch den spezifisch für dieses Projekt zusätzlich hinzugekommenen Aspekt des textlichen Ausdrucks, der von allen vier Performern ausgeübt wird.

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